Schon seit meiner Kindheit bin ich von Klängen fasziniert, vielmehr aber davon, was um die Klänge herum geschieht. Wie gehen Menschen mit Musik um? Wie organisieren sie Musik und wie wird darüber kommuniziert? Welche Bedeutungen werden Musik dem sozialen Leben beigemessen? Können dadurch Norm- und Werteverständnisse sowie daraus resultierende Handlungen abgelesen werden? Welche Rolle spielt Musik in Machtverhältnissen und wie wird sie eingesetzt?
Alles eine Frage des Zugangs
In vielen Unterhaltungen über Kunst und Kultur habe ich oft das Gefühl, dass die Basis jegliches Schaffens außer acht gelassen wird und vielmehr die Unerreichbarkeit im Vordergrund steht. Man verweist auf einen intellektuellen Grad, auf ein besonderes Talent, den der oder die Künstler_in besitzt und nur von ebensolchen Menschen verstanden werden können. Das sehe ich anders. Selbstverständlich verbirgt in jedem Wesen individuelle Fähigkeiten, die wiederum jedes Wesen zu etwas Besonderem machen. Kulturbedingt haben wir jedoch das Bedürfnis nach Transzendenz, nach etwas Überdimensionalem, welches unsere Sinne und unser Verstand übertrifft. Menschen, die diesem Überdimensionalem näher kommen, werden geheiligt. Die Praktische Ebene bleibt ab dem Zeitpunkt unbeachtet. Es ist die Ebene, in der Wissen durch Zugang zu Wissen angehäuft wird.
Im Gegensatz zu meinen Freunden hatte ich das Glück einen Zugang zu Musik zu haben. Im Elternhaus besaßen wir eine Menge Musikkassetten, die ich nach dem Kindergarten oder nach der Schule immer oft in den Kassettenrecorder steckte und hörte. Musikkassetten waren für die Unterhaltung der türkeistämmigen Menschen in Deutschland sehr wichtig. Durch dieses Medium konnten sich die Menschen aus dem Alltag zurückziehen, ihre Träume und Wünsche vor Augen halten und ihr bisher geführtes Leben reflektieren. Auf dieses Thema gehe ich in einem Blogeintrag näher ein.
Mein Vater betrieb in den 80ern einen Video- und Kassettenladen. Durch den großen Video- und Kassettenbestand im Elternhaus hatte ich die Möglichkeit Musikstile wie Rock und Alternative anzuhören. Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Musikstilen gewährte mir einen Einblick in die jeweiligen Szenen und half mir dabei meinen persönlichen Horizont zu erweitern. In diesem Zusammenhang nenne ich oftmals das im Jahr 1991 erschienene Album Dipten ve Derinden von Kesmeşeker (Zuckerwürfel), eine Rockband aus der Türkei. Einige Jahre später hörte ich mit 8 Jahren zum ersten Mal den Begriff Apartheid, der im Lied Güney Afrika´da (In Südafrika) thematisiert wurde. Selbstverständlich konnte ich aus sprachlichen und inhaltlichen Gründen nicht viel verstehen, doch reichte es um meine Neugier zu wecken und zu erkennen, dass Musik weitaus mehr zu bieten hat als nur Menschen zu vergnügen. Durch Liedertexte kann sie Wissen, Eindrücke oder Perspektiven vermitteln.
Im Vergleich zu vielen Musiker_innen, ich bezeichne mich übrigens nicht als Musiker, habe ich spät angefangen ein Instrument zu erlernen. Mit 14 kaufte ich meine erste Westerngitarre, die ich zunächst autodidaktisch lernte. Im späteren Verlauf nahm ich, aus finanziellen Gründen immer in kurzen Abständen, Gitarrenunterricht. Parallel dazu kaufte ich viele Lehrbücher, die mich zum Teil weiterbrachten.
Dank des Internets konnte ich über Gitarrenmusiken recherchieren. Ich stieß dabei auf Namen wie Vicente Amigo, Víctor Jara und viele mehr. Hier muss ich einen Namen besonders hervorheben, weil er mein Leben auf eine ganz positive Weise beeinflusst hat: Erkan Oğur. Durch Erkan Oğur lernte ich meinen Blick auf die Feinheiten des Lebens zu lenken, was ebenfalls mein Verständnis zur Ästhetik formte.